„Auf dem Gewerkschaftstag tanke ich Kraft“

Sie sehen sich als Dienstleister des Parlaments der Arbeit. Karola Pieschnik aus dem Präsidium des Gewerkschaftstags kennt noch die Tage der wilden Debatten. In diesem Jahr will sie wissen, wie die IG Metall zu den Flüchtlingen steht und zeigen, dass ihre Gewerkschaft noch viel mehr auf dem Kasten hat, als für Tariferhöhungen zu kämpfen.

Karola, du hast seit 1989 keinen Gewerkschaftstag verpasst. Was hat sich seitdem verändert?
Die Debatten sind aus meiner Sicht braver geworden. Früher sind auch mal die Fetzen geflogen. Das hat sich schon ein wenig gewandelt. Es wird heute ausgiebig diskutiert, aber der Ton ist ein anderer. Er ist nicht mehr so rau.

Karola Pieschnik, 56, ist Weiterbildungsbeauftragte in der Kannegiesser GmbH in Vlotho. Für die IG Metall ist sie ehrenamtlich unter anderem im Beirat, dem Ortsvorstand und als Referentin für Betriebsratsseminare im Einsatz. Foto: Andreas Pleines

Karola Pieschnik, 56, ist Weiterbildungsbeauftragte in der Kannegiesser GmbH in Vlotho. Für die IG Metall ist sie ehrenamtlich unter anderem im Beirat, dem Ortsvorstand und als Referentin für Betriebsratsseminare im Einsatz. Foto: Andreas Pleines

Ist das gut?
Ja. Die Debatten auf dem Gewerkschaftstag geben neue Impulse für die Arbeit der IG Metall. Ich halte es für wichtig, sich diesen Raum für Diskussionen als Organisation auch zu geben.

Was ist die Aufgabe des Präsidiums, deren Sprecherin Du bist?
Wir sind die Dienstleister der Delegierten. Das Präsidium erleichtert ihre Arbeit, so dass sie sich auf das konzentrieren können, wofür sie da sind. Und das ist die politische Arbeit.

Was heißt das konkret?
Wir strukturieren den Ablauf des Kongresses und haben für alle ein offenes Ohr. Wir stellen den Delegierten die Tagesordnungspunkte und Abläufe vor. Und wir erklären, was bei Abtimmungen zu beachten ist.

Ihr leitet auch die Diskussionen während der Antragsberatung, oder?
Ja. Die Delegierten können zu den Anträgen Wortmeldungen abgeben. Die reichen sie vorher bei uns schriftlich ein. Wir rufen sie dann nacheinander ans Rednerpult.

Und wie schafft ihr es, den ein oder anderen wieder vom Podium loszureißen?
Wir haben dafür eine für alle sichtbare Ampel, die nach sechs Minuten auf gelb springt. Für den Sprecher ist es das Zeichen, zum Schluss zu kommen. Nach sieben Minuten endet die Redezeit. Wir haben aber noch niemanden das Wort abgeschnitten. Bei manchen Kollegen muss man jedoch durchaus etwas nachdrücklicher werden.

Du bist ehrenamtlich für die IG Metall tätig, so wie viele Delegierte auch. Ist das ein Vorteil für Deine Arbeit im Präsidium?
Auf jeden Fall. Ich glaube, ich kann mich gut in die Kolleginnen und Kollegen reindenken. Nicht alle Delegierten sind mit den Abläufen und den Formalitäten vertraut. Viele sind zum ersten Mal dabei.

Welche Eigenschaften braucht man als Mitglied des Präsidiums?
Man braucht ein Gefühl für Menschen und Stimmungen. Wann eine Pause nötig ist, sieht man beispielsweise in den Gesichtern ziemlich deutlich. Das Wichtigste ist aber: Du musst selbst Ruhe ausstrahlen. Wenn sich das Präsidium nervös zeigt, dann macht das den ganzen Kongress unruhig.

Was reizt dich an den Aufgaben des Präsidiums?
Als Präsidium stehst Du im direkten Kontakt mit den Delegierten. Es macht mir Spaß, ihnen bei ihren Fragen zu helfen. Beim Gewerkschafstag mit vor Ort zu sein, ist für mich immer eine tolle Sache. Wenn ich den Leuten beim Diskutieren zuhöre, wird mir klar, wofür wir uns hier gemeinsam einsetzen. Man tankt Kraft, die man sonst nicht bekommt.

Was hast Du Dir für die Woche vorgenommen?
Ich will den Kongress noch einmal richtig genießen. Denn es wird mein letzter Gewerkschaftstag als Präsidiumsmitglied sein.

Was erwartest Du inhaltlich vom Kongress?
Ich wünsche mir, dass wir als IG Metall eine klare Position zum Thema Flüchtlinge finden. Und dass wir zeigen, dass wir eine moderne Gewerkschaft sind, die auch über Tarifverhandlungen hinaus einiges auf dem Kasten hat.

Die sieben Mitglieder des Präsidiums werden auf den Delegiertenversammlungen der Bezirke vorgeschlagen und auf dem Gewerkschaftstag gewählt.

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